Freitag, 27. November 2009

Artificial Skin Collection 2060 by Hamansutra

Sturmfeder Projects feiert die Deutschland Premiere des Lookbooks von Hamansutras Artificial Skin Collection 2060 mit dem Titel „A thousand moves into the game of fashion“. In den Werken des iranisch-deutschen Designers hat der Traum von tausend und einer Nacht die Post-Moderne überholt und zieht weiter in eine Welt, in der Technologie das Dasein bestimmt. Es ist ein Zukunftsszenario, in der Emotionen durch die alles durchdringende Transparenz verloren gingen. Eine Welt, in der die menschliche Anatomie mit Maschinen vervollständigt wird. Haman Alimardani erscheint es, als bräuchte dann jeder ein künstliches Bein, nur um Gehen zu können. „Ich möchte mit meinen Entwürfen Menschen zeigen und nicht nur ihre Umrisse. Es sind kleine Filme, in denen Phantasie und praktische Ratschläge sich ineinander verweben und so ein Wandel entsteht.“



































Hamansutra definiert die Gültigkeit von Fashion neu. Verfällt normalerweise die Wertigkeit der Kreationen zwei- bis viermal im Jahr, erschafft Hamansutra mit seinen Schöpfungen Bilder des in Zukunft nach außen gekehrten Ichs. Minimal wird der Mensch wirken, viel wichtiger seine Funktion als Soldat, Polizist oder Mutter. Haman Alimardani persifliert Zweck und Nutzen in der Modewelt, lässt sie wieder einkehren und zwar als Hauptmotiv. Allerdings kann man den Nutzen erst begreifen, versteht man die Zukunftsszenarien, die “He-Man“ Alimardani comicartig aufzeigt. Eine Fußfessel, als Modeaccessoire getarnt, bindet die Polizeibeamten der Zukunft und verrät der Zentrale, wo und wie sie sich bewegen. Der futuristischen Recht-und-Gesetzesvertreterin in ihrem knallengen Stretch-Overall wird die Fessel allerdings als Kompass verkauft, der ihr den Weg verrät, den sie gehen soll. So wird sie zu einem fern gesteuerten Organ gleich einem Roboter. Eine nächste ist gleich zur Klammer mutiert, denn von ihren Schultern bis zu den Füßen spannt sich ein Gurt, an dem sich andere anklicken können. Herunter reduziert auf die Pflicht ist in Hamansutras Zukunft die Reproduktion. Eine Gurtkonstruktion hält den Babybauch während er wächst, die Geburt vollzieht sich innerhalb von Sekunden durch das Öffnen der Reißverschlüsse. Den einzigen, sentimentalen Gegenpol bildet die violette Lady, die ihren Körper und ihre Haare in einem blau-braunen Mantel verhüllt. Haman nennt diese feenartige Gestalt, die mit scheuen Augen aus ihrem Schutzmantel hervorschaut, Risiko. Und fügt an, dass man um das Licht erblicken zu können, die Dunkelheit herausfordern können muss.


































Im starken Kontrast zu den zertretenen Innenleben der Zukünftigen steht das Vorwort des Lookbooks. Arno Rink, ehemaliger Lehrer von Neo Rauch und Vertreter der Neuen Leipziger Schule, schreibt impressionistisch, direkt zugänglich und offenbart ohne Scheu Selbstzweifel und Unsicherheit, Sehnsucht und Demut. Gespickt mit treffsicherer Genialität, die er wie aus dem Ärmel schüttelt, reißt er das vernunftgesteuerte Wertegerüst des Lesers ein und schafft Empathie mit freigestellten Sätzen wie „Ver-rückt ist der – heißt ja nur, er ist nicht mehr am alten Platz“ oder „Es ist schwer sich als Goldfisch im eigenen Glas schwimmen zu sehen“. Durch Arno Rinks Seelenstrip, der berührt, inspiriert, das Absurde fühlbar macht, wird deutlich, dass sich die menschliche Seele niemals automatisieren lassen wird, wenn ihr nur ein kleiner Platz zur Entfaltung gelassen wird. Auch wenn sie sich dann immer wieder in ihrem Ausdruck verrennen, vielleicht nie glücklich werden wird oder zufrieden mit dem Geschaffenen, dient sie doch als Versicherung gegen den Verlust unserer selbst. Komme was wolle.

Die Ausstellung ist in der Buttermelcherstr. 21 ab dem 12. Dezember. Beginn ist um 20:oo Uhr. Schaut es Euch an, es lohnt sich!

Weitere Bilder findet ihr unter www.hamansutra.com oder unter www.nachtagenten.de

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